Michael Preuss im Interview – Über die Aufgaben und Veränderungen der Vertriebsleitung in der Zukunft

Wir als ProduktionstechnikerInnen vergessen es manchmal, aber der Vertrieb ist ein besonders wichtiges Feld der Unternehmenstätigkeiten. Michael Preuss, Geschäftsführer der ABA BEUL GmbH, bezeichnet Vertrieb sogar als die DNA des Unternehmens. Michael Preuss ist aufgrund seiner bisherigen Tätigkeiten ein absoluter Fachmann im Vertrieb und viel mehr noch in der strategischen Ausrichtung des Vertriebs. Als Interimsmanager unterstützte er unzählige Unternehmen bei der Verbesserung des Vertriebs, wie zum Beispiel den Spann- und Greifer Spezialisten SCHUNK, Airwell, APEX Tool Group oder die ECOROLL AG Werkzeugtechnik. Im Gespräch mit Produktionstalente ging es um die Bedeutung des Vertriebs, die Fähigkeiten in der Vertriebsleitung und um die Veränderungen des mittelständischen Vertriebs aufgrund der Digitalisierung. Viel Spaß beim Lesen des Interviews.

Hallo Herr Preuss, vielen Dank für Ihre Zeit und Bereitschaft zu diesem Interview.

Sehr gerne!

Ich kenne Sie ja aus meiner Tätigkeit bei der ECOROLL AG Werkzeugtechnik. Dort haben Sie als Interimsmanager den Vertrieb umstrukturiert und auf einen Erfolgskurs gebracht. Ich fand damals Ihren Werdegang sehr faszinierend. Zum Start stellen Sie sich und Ihren Werdegang daher doch einmal kurz vor.

Ganz bodenständig! Ich bin geprägt durch einen elterlichen Handwerkerhaushalt, der mir ermöglicht hat Bodenständigkeit zu wahren. Die Lehre als Maschinenschlosser war für mich die prägendste Phase, die drei Studienabschlüsse waren das Ergebnis von Antrieb durch Neugier und Interesse an Wissen.

Eigentlich soll es ja heute um das Thema Vertrieb gehen, wofür Sie offensichtlich sehr qualifiziert sind. Aber in Ihrem Fall muss ich Sie einmal kurz bitten die Tätigkeit eines Interimmanagers zu beschreiben. Dies ist für viele sicher nicht so klar. 

„Wir kommen, um zu gehen“ – auch wenn mir dies bei ECOROLL schwerer gefallen ist, als überall sonst! Interimsmanagement ist Zeitarbeit auf Management-Level, in der Regel im C-Level. Hauptgrund sind drei Ansätze: Knowhow Ausgleich, Ressourcen erweitern und Vakanzen überbrücken.
Mein Partnerstatus bei TASKFORCE München zeigt die professionelle Organisation dieser etwas besonderen Gattung von Managern.

Vertrieb ist die DNA von Unternehmen.

Ok, vielen Dank für den kurzen Einschub. Jetzt zum eigentlichen Thema. Ihr Werdegang zeigt, dass Sie viel Erfahrung im Vertrieb haben und gerade viel im Mittelstand tätig waren. Für wie wichtig würden Sie den Vertrieb im Hinblick auf den Erfolg eines Unternehmens einschätzen?

Alle Abteilungen eines Unternehmens sind relevant und wichtig. Der Vertrieb hat die dramatisch wichtige Aufgabe den Unternehmenskern außen zu repräsentieren und das Unternehmen zu ‚füttern‘ – zu versorgen. Somit DNA des Unternehmens! Ohne Vertrieb kein Unternehmen. Der Vertrieb führt.

Was macht eine Tätigkeit im Vertrieb in einem mittelständischen Unternehmen für Sie so spannend? Warum haben Sie Ihre Karriere nicht eher in die Konzernwelt fortgesetzt?

Ich durfte beide Welten kennenlernen. Wenige Menschen können beides gut. KMU hat für mich die bessere Passgenauigkeit hinsichtlich der allseits bekannten Vorzüge von kurzen Wegen, über Persönlichkeit und weiteres, was mir persönlich sehr wichtig ist.

Micheal Preuss

Geschäftsführer bei der ABA BEUL GmbH


Berufliche Laufbahn (Auszug):

  • ABA BEUL GmbH – Geschäftsführer
  • BECOMA GmbH – Geschäftsführer
  • ECOROLL AG Werkzeugtechnik – Strategische Vertriebsentwicklung (Interim)
  • Airwell – Head of Sales (interim)
  • Schunk – Chief Sales Officer (interim)
  • Brockelmann Aluminium – Geschäftsführung Volkswagen AG – Entwicklungsingenieur Antriebsgelenkwelle
  • Rexnord BSD – Leiter Vertrieb und Marketing

Ausbildung:

  • Fachabitur
  • Ausbildung zum Maschinenschlosser
  • Studium der Produktionstechnik
  • Studium Wirtschaftswissenschaften
  • Master of Business Administration (MBA) – Sales & Marketing

Welches sind aus Ihrer Sicht die größten Fehler im Vertrieb im Mittelstand, die häufig gemacht werden? Und vor allem, was kann man dagegen tun?

Die Führung! Nach hunderten von Jahren im Bereich Produktionsoptimierung, Qualitätsentwicklung und weiteren Optimierungen ist der Vertrieb i. d. R. die einzige Bastion, die kryptisch-nebulös, teils wenig gemessen, unterwegs sein darf – die heilige Kuh!

Dabei ist Vertrieb strukturier- und messbar, wie jede andere Abteilung auch. Also, es muss einfach GEMACHT werden!

Welche Anforderungen muss eine Vertriebsleiterin oder ein Vertriebsleiter erfüllen, um mit seinem Team hier erfolgreich zu sein?

Das Idealbild der Mischung von Römischen Feldherrn und  partizipativem Führer spare ich mir hier. Er muss begeistern und mitreißen – Mitarbeiter und Kunden.

Die gesamte Produktionstechnik steht heute vor einer riesigen Transformation. Digitalisierung, Industrie 4.0 und Klimakrise verändern aktuell alles. Wie wirkt sich dies auf den Vertrieb aus?

Gleiches Bild. Nicht erst seit CORONA. Die Art der Kundenansprache ändert sich dramatisch in Art und Geschwindigkeit. Nach einem Jahr CORONA wirken Präsenzmessen steinalt – wie ein anderes Jahrtausend. Ebenso wie Außendienstbesuche mit Klappordner. Die neue Zeit ist unumkehrbar und eine unglaubliche Chance für diejenigen, die nicht zu den ‚Bewahrern‘ gehören!

Gerade zum Thema Vertrieb gibt es aktuell unzählige Blogbeiträge, Bücher und sonstiges Infomaterial im Netz. Mein Eindruck ist dabei, dass viele Methoden aus dem Bereich E-Commerce kommen und in Zukunft relevant sein werden. Der Maschinenbau verschläft diese Veränderung gerade aber etwas. Fehlende Kundenkontakte seien der Grund für den Rückgang des Auftragseingangs seid Anfang März 2020. 
Sehen Sie das genauso oder gibt es einen entscheidenen Unterschied vom modernen E-Commerce zum typischen Maschinenbau, den ich hierbei übersehe?

Der Maschinenbau ist auch in diesem Bereich ein ‚Spätzykler‘. Der Maschinenbau ist in Deutschland weiterhin relevant und systemisch. Man sollte hier als ‚Follower‘ nur genau hinschauen, wie andere Bereiche mit hohem Innovationsgrad und Marktdruck sich erfolgreich digitalisieren. ‚Lernen von den Besten‘ gilt auch hier. Man muss wach sein, dann wird man auch als Follower partizipieren, ohne kurzfristig in Hektik zu verfallen.

Wie wird sich, nach Ihrer Einschätzung, denn die Tätigkeit als VertriebsleiterIn in Zukunft unter diesen Umständen verändern? Was müssen NeueinsteigerInnen mitbringen, um auch in Zukunft erfolgreich zu sein?

Der Vertriebsleiter bleibt der Trendscout, wie es auch heute im Hinblick auf die für das Unternehmen relevanten Märkte und Kunden sein sollte. Problematisch ist, dass Vertriebsleiter i. d. R. häufig 40+ sind; der Median liegt bei 55 Altersjahren. Hier fehlt die Kompetenz für die neue digitale Welt. Das ist ein Problem, bei Verweigerung eine Gefahr! Neueinsteiger im Vertrieb sind eigentlich von Natur aus heute Digital Natives, die allerdings die Grundlagen des Vertreibshandwerkes lernen müssen. Echte Chancen für eine Symbiose über Mentoring der neuen und alten Welt!

Haben Sie abschließend noch ein oder zwei Tipps für angehende Führungskräfte, die sich eine Tätigkeit als VertriebsleiterIn vorstellen können? 

Für mich ist die Schlüsselfrage nach dem eigenen inneren unbändigen Antrieb und der Freude am Umgang mit Menschen. Der Rest ist Handwerk in Form von Struktur, Kompetenz und Konsequenz.

Vielen Dank für das Gespräch. Ich wünsche Ihnen und Ihrem Unternehmen viel Erfolg in der Zukunft. 

Ich danke Ihnen und freue mich auf ein Wiedersehen!