Sind wir ehrlich, die Promotion ist mehr als nur eine wissenschaftliche Arbeit. Sie ist gerade in der Produktionstechnik eine Ausbildung zur Führungskraft. Das ist ja auch eine wesentliche Motivation zur Gründung von Produktionstalente. Während der Zeit am Institut können wir die Tätigkeit „Führungskraft“ üben und zwar ganz konkret. Jeder Promovierende nutzt studentische Arbeiten oder studentische Hilfskräfte für seine Arbeit. Die Anleitung von Studierenden muss geübt werden und gerade am Anfang macht man hier vermutlich viele Fehler.
Das Schöne an der Zeit ist aber, dass die Fehler relativ egal sind. Liebe Studierenden, bitte nicht falsch verstehen, natürlich ist es doof, wenn ihr nicht optimal angeleitet werdet. Aber der Schaden, der durch eine schlechte Führung hier angerichtet wird, ist vergleichsweise gering und wir in den meisten Fällen durch erfahrene Kollegen aufgefangen. In der Regel entsteht kein direkter wirtschaftlicher Schaden und es hängen auch keine Existenzen daran. Dennoch wäre es natürlich besser, die Studierenden optimal anzuleiten und sie durch eine angemessene Führungsleistung optimal auf die Tätigkeit als Ingenieur vorzubereiten. Hier müssten die Institute neue Mitarbeitende besser an die Hand nehmen.
Wenn ein WiMi jetzt schon einige Erfahrung hat, kann versucht werden, den Output zu erhöhen und die eigene Führungsleistung weiter zu verbessern. Später in der Industrie wird das eigene Team vermutlich ja nicht aus ein, zwei oder drei Menschen bestehen, sondern aus vermutlich 8, 15 oder sogar mehr Mitarbeitenden. Wie kann man sich nun auf eine solche Situation vorbereiten?
Ganz einfach, man kann die Anzahl der Teammitglieder während der Promotion erhöhen. Zu einem Zeitpunkt meiner Promotion habe ich 12 studentische Arbeiten und zwei Hiwi´s gleichzeitig betreut. Kleiner Spoiler, das war am Ende nicht die effektivste Zeit am Institut für mich, aber es hat mir viel über Personalführung und Kommunikation beigebracht.
Die Herausforderung bei dieser großen Anzahl an Studierenden ist nämlich, dass ja jede und jeder von ihnen eine individuelle Betreuung braucht. Dadurch muss auch unterschiedlich kommuniziert werden. Das heißt im Umfang und auch in der Art und Weise der Kommunikation. Der kommunikative Aufwand ist hier absolut nicht zu unterschätzen und das war auch für mich in der Zeit der größte Fehler.
Was muss ich nun aber beachten, um möglichst viel für mich und das Projekt aus einer solchen Zeit herauszuholen?
1. Nicht Masse, statt Klasse
Die Suche nach Studierenden ist nicht einfach und scheint auch immer schwerer zu werden. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass du für eine solche Zeit möglichst gute Studierende einstellst. Jetzt ist der Gegenentwurf zu diesem Ansatz hier, ein sehr kleines aber exzellentes Team aufzubauen. Wer diesen Ansatz hier ausprobieren möchte, darf nicht zu wählerisch bei den Einstellungen sein. Das heißt jetzt nicht, dass man einfach jede Bewerbung annehmen sollte. Also „Masse statt Klasse“ ist definitiv nicht die Lösung. Mit jedem ungeeigneten Studenten steigt der Betreuungsaufwand exponentiell.
Es ist daher absolut wichtig, sich im Vorfeld einen guten Namen bei den Studierenden zu machen und dann einen einfachen aber klaren Einstellungsprozess zu haben. Möglicherweise hilft hierbei ein kleiner Einstellungstest. Wie das aussehen kann hatten wir in einem anderen Beitrag schon einmal beschrieben.
Vorlage zum Einstellungstest runterladen
Hol dir die kostenlose Vorlage des Einstellungstests von Produktionstalente zur Auswahl von Studierenden. Fülle dafür einfach das Formular aus und erhalte von uns eine PDF zum selbst ausdrucken per E-mail.
Nutze die Vorlage entweder direkt oder als Ideengeber für deinen eigenen Einstellungstest.
- 3 Fragen aus dem allgemeinen Maschinenbaustudium, die alle Studierenden beantworten sollten.
- Das Lösungsblatt ist Teil des PDF´s.
- Klares Design und übersichtliche Darstellung der Fragen.
Hinweis: Da unser Angebot exklusiv für wissenschaftliche MitarbeiterInnen der Produktionstechnik ist, überprüfen wir anhand des Eingaben deine Institutszugehörigkeit. Dies kann ein bis zwei Tage dauern. Danach senden wir dir die gewünschte Datei direkt per Mail zu.
Außerdem müssen die Anforderungen an die Studentinnen und Studenten klar sein. Im Grunde musst du, wie in jedem Unternehmen, eine klare Stellenbeschreibung haben. Und dafür müssen die Aufgaben und Projekte klar beschrieben und ausgearbeitet sein.
2. Klare Projekte und Projektteams – zusammenhängende Aufgabenstellungen
Vermutlich arbeitest du am Institut nicht an einem einzigen Projekt, sondern musst unterschiedliche Forschungsprojekte, Industrieprojekte oder Nebenaufgaben managen. Du musst dir im klaren darüber sein, welche Projekte du alles auslagern möchtest. Bzw. eigentlich musst du wissen, welche Projekte du alles auslagern musst. Der zeitliche Aufwand für die Betreuung so vieler Arbeiten ist so groß, dass es kaum möglich sein wird, selbst an Projekten zu arbeiten.
Wenn du jetzt weißt, welche Projekte du bearbeiten musst, dann kannst du diese Projekte in kleine Projekte für die Studierenden aufteilen. Hierbei könntest du zum Beispiel auch kleine Projektteams bilden. Beispielsweise kann ein Projektteam sich so aufteilen, dass eine Person eine große Versuchsreihe macht und eine zweite Person ein Interpretationsmodell für die Ergebnisse ausarbeitet. Oder es könnte auch die selbe Versuchsreihe mit unterschiedlichen Randbedingungen durchgeführt werden, zum Beispiel Verschleißversuche beim der Bearbeitung von zwei unterschiedlichen Stählen.
Wichtig hierbei ist, dass du möglichst zusammenhängende Kleinprojekte findest, die dich bei deinem Projekt weiterbringen und bei deren Bearbeitung die Studierenden zusammenarbeiten können. Je mehr Teamarbeit dabei entsteht, desto einfacher wird die Betreuung für dich. Das gilt insbesondere für das nächste Thema, Kommunikation.
3. Kommunikation, Kommunikation und Kommunikation
Der wohl wichtigste Punkt hierbei ist, die durchgängige und ständige Kommunikation. Das ist etwas, was man bei der Führung von kleinen Teams nicht so stark mitbekommt, bei 10 oder mehr Teammitgliedern bleibt allerdings keine Zeit, um mit jedem Einzelnen intensiv jeden Tag zu sprechen. Das bedeutet, dass die Projekte eigenständig bearbeitet werden müssen. Und das ist nicht immer zielführend. Studierende sind ja genau das, Studierende. Sie sind in der Ausbildung und können nicht immer eine richtige Entscheidung treffen. Das bedeutet, man muss wissen, woran die Studierenden arbeiten und wie der aktuelle Stand ist.
Hierbei helfen ein paar kleine Kommunikationstipps. Aus Shopfloor-Meeting oder auch aus dem agilen Projektmanagement kennen wir heute den Meetingtyp „Daily Standup“. Bei einem Daily geht es darum, in kurzer und sehr zusammengefasster Weise, von jedem Teammitglied drei wesentliche Informationen zu bekommen:
- Was wurde gestern geschafft?
- Wobei gab es Probleme?
- Was soll heute gemacht werden?
Diese Informationen kann man mit etwas Übung aus einem 15-minütigem Termin herausholen. Damit weißt du, wie der aktuelle Stand ist und jedes Teammitglied weiß auch, woran der andere gerade arbeitet. …Achso, du fragst dich gerade, ob die Studierenden denn wissen, dass sie zu einem größeren Team gehören? Klar! Das müssen sie wissen. Das führt dazu, dass sie sich auch gegenseitig unterstützen können und dir ein wenig Kommunikation abgenommen wird.
Zusätzlich zum Daily solltest du aber tiefergehend und detailliert wissen, woran alle Arbeiten. Hierzu müssen intensive Einzelgespräche geführt werden. Einmal pro Woche sollte mit jedem Einzelnen über die Arbeit gesprochen werden. In diesem Gespräche müssen Wochen und Monatsziele definiert und alle offenen Fragen für die Woche geklärt werden. Bei 12 Studierenden bedeutet das ja schon, dass im Durchschnitt mehr als 2 Gespräche am Tag geführt werden müssen. Mit 60-90 Minuten pro Gespräch und dem Daily sind das schon 3,5 Stunden Gespräch an jedem einzelnen Tag in der Woche. Diesen Aufwand muss man definitiv im Hinterkopf habe, bevor man ein solches Experiment startet.
Ein weiteres wichtiges Kommunikationsinstrument sind Arbeitsgruppentreffen. Je mehr die Studierenden als Team zusammenarbeiten und sich gegenseitig bei der Arbeit unterstützen, desto geringer wird der Aufwand für dich. In regelmäßigen Abständen von 4-6 Wochen sollten die Studierenden sich gegenseitig den Stand der Arbeit vorstellen. Die Kolloquien führen zu einem Austausch untereinander und geben dir die Möglichkeit auch mal Feedback von anderem zum Fortschritt zu bekommen. Die Projekte, die an ähnlichen Themen arbeiten, aber nicht zwingend zusammen arbeiten, können sich austauschen und gegenseitig Tipps geben. Und es hilft den Studierenden einen Standard für Darstellungen und Argumentationsweisen zu erarbeiten und bereitet auf die Abschlusspräsentation vor. Denn wer regelmäßig den aktuellen Stand präsentieren muss, ist gezwungen seine Arbeit zu strukturieren.
4. Erfolgskontrollen einführen
Am Ende ist es aber deine Aufgabe die Ergebnisse aller Arbeiten zusammenzuführen und in einem Projektbericht oder Zwischenbericht darzustellen. Daher ist es absolut notwendig, den Erfolgsfortschritt nicht nur in Form von Gesprächen und kurzen Statustreffen zu kennen, sondern auch den Erfolg bezogen auf das Gesamtprojekt zu kontrollieren.
Hierbei können kleine Berichte, zum Beispiel je Woche, helfen. Einer meiner Studenten hat einmal alle seine Arbeiten in einer durchgängigen PowerPoint zusammengefasst. Er konnte mir somit jede Woche zeigen, was er in der Woche gemacht hat und wie die Ergebnisse ihn näher an das Ziel gebracht haben. Die Darstellung in Folienform lässt sich außerdem direkt in eigene Berichte überführen, denn als wissenschaftlicher Mitarbeiter muss man sich ja auch gegenüber dem Abteilungsleiter oder der Professorin rechtfertigen und Projektfortschritte zeigen.
Alles in allem…
Du siehst also, dass die Betreuung einer größeren Anzahl an studentischer Arbeiten zwar thematisch hochgradig effektiv sein kann, wenn man es richtig macht. Die Fortschritte eines gut gesteuerten Teams und die damit einhergehende Anzahl an Ergebnisse ist einfach nicht wegzudiskutieren. Aber, es kostet auch sehr viel Zeit und ist eine eindeutige Managementaufgabe. Wer sich auf diesen Weg macht, der muss sich im klaren sein, dass kaum Zeit für andere Aktivitäten bleibt. Selbst eigene Projektergebnisse erarbeiten ist nicht möglich.
Wir haben gesehen, dass fast die Hälfte des Tages schon mit Kommunikation gefüllt ist. Zusätzlich müssen noch Einzelbetreuungen stattfinden, wie zum Beispiel die Einweisung in Versuche oder Messmethoden. Außerdem ist man selbst damit beschäftigt die Fortschritte zu kommunizieren. Zwischenberichte oder Veröffentlichungen lassen sich nicht auf Studenten auslagern, sondern müssen selbst geschrieben werden. Und dann müssen die wöchentlichen Berichte noch durchgegangen und sortiert werden. Die Fortschritte müssen in der kommenden Woche in den Einzelgesprächen diskutiert und in neue Ziele überführt werden. Diese Aufgabe bleibt bei einem selbst. Alles in allem also eine sehr fordernde Zeit und man sollte sich sehr gut überlegen, ob man mit diesem Experiment starten möchte. Wer es sich aber zutraut, sollte es definitiv ausprobieren. Denn neben dem möglichen Projektfortschritt ist das eine ideale Übung für die spätere Aufgabe als Führungskraft.
Autor: Oliver Maiß
Hallo, mein Name ist Oliver und ich bin Gründer und Initiator von Produktionstalente. Ich habe selbst 6 Jahre am IFW in Hannover promoviert und kenne daher viele Herausforderungen vor, während und nach der Promotion. Ich schaffe gerne Möglichkeiten, um Menschen miteinander zu vernetzen, weil ich davon überzeugt bin, dass wir aus jeder Begegnung etwas wertvolles für uns mitnehmen können. Und vielleicht konntest du ja jetzt auch schon etwas von mir mitnehmen.