An den produktionstechnisches Instituten in Deutschland gibt es ca. 1.500 Promovierende. Diese jungen Talente gehören zu den am besten ausgebildeten IngenieurInnen und werden zu einem Großteil nach der Promotion eine Karriere in der Industrie anstreben. Eines dieser jungen Talente ist Johanna Helm. Johanna ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fraunhofer ILT in Aachen und beschäftigt sich in ihrer Promotion mit dem Mikrofügen mittels Laserbearbeitung. Im Gespräch mit mir erzählt sie, warum sie überhaupt promovieren wollte, wie sie die Zukunft der Laserbearbeitung sieht und was sie sonst so motiviert.
Hallo Johanna, schön dich hier zu haben und mit dir jetzt über dich und deine Promotion zu sprechen.
Hallo Oliver, schön dass es geklappt hat! Sehr gerne, ich freue mich auf das Gespräch.
Magst du dich bitte einmal kurz vorstellen, damit wir dich zunächst einmal kennenlernen? Wer bist du? Was machst du? Worum geht es in deiner Forschung?
Ich wurde in Kiel geboren und bin zum Maschinenbau-Studium 2008 nach Aachen gekommen. 2014 habe ich mein Studium mit dem Master of Science in „Allgemeiner Maschinenbau“ abgeschlossen. Während des Studiums lagen meine Schwerpunkte eher im Textilmaschinenbau, der Kunststofftechnik und der Medizintechnik. Durch Zufall bin ich schon während des Studiums und auch für meine Abschlussarbeit beim Fraunhofer-Institut für Lasertechnik – ILT gelandet und konnte nach meinem Abschluss dort eine Stelle als wissenschaftliche Mitarbeiterin ergattern. Seit 2015 bin ich im Bereich „Abtragen und Fügen“ tätig und beschäftige mich mit dem Laserstrahlmikroschweißen von Metallen. Dabei geht es hauptsächlich um das Fügen von Kupfer und Aluminium für elektrische Kontakte, wie zum Beispiel für die Batterie- oder Wasserstofftechnik. Darüber hinaus beschäftigen wir uns aber zum Beispiel auch mit Fragestellungen aus der Luft- und Raumfahrt, Medizintechnik oder Schmuckindustrie.
Johanna Helm, M. Sc.
Wissenschaftliche Mitarbeiterin und Doktorandin am
Fraunhofer-Institut für Lasertechnik in Aachen
Berufliche Laufbahn:
- Praktika bei Airbus, Vossloh Locomotives und Siemens Audiology in Singapur
- HiWi am Institut für Textiltechnik (RWTH Aachen) von 2011-2012
- Hiwi am Fraunhofer-Institut für Lasertechnik, Aachen 2012-2015
- Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fraunhofer-Institut für Lasertechnik, Aachen seit 2015
Ausbildung:
- Bachelor of Science Maschinenbau mit Schwerpunkt Textilmaschinenbau,
- Master of Science Allgemeiner Maschinenbau an der RWTH Aachen
Die Promotion ist ja eine Ausbildung mit vielen Pros und Contras. Was bedeutet für dich die Promotion?
Für mich ist die Promotion eine Zeit, in der ich mich ganz auf ein Thema konzentrieren und spezialisieren kann. Ich habe alle Möglichkeiten und Freiheiten, die Inhalte, Schwerpunkte und wissenschaftlichen Ansätze bleiben weitestgehend mir überlassen. So kann ich mich wissenschaftlich so richtig „austoben“. Auf der anderen Seite ist diese Zeit auch entbehrungsreich und man muss lernen mit Rückschlägen umzugehen und immer wieder neue Mittel und Wege finden. Ich habe mich hauptsächlich für eine Promotion entschieden, um mir selbst zu beweisen, dass ich das kann und den Biss dazu habe. Ich bin in der glücklichen Position eine volle Stelle am Fraunhofer ILT zu haben und dort nebenbei für meine Promotion zu forschen. Ich habe tolle KollegInnen, ein dynamisches Arbeitsumfeld, viel (Eigen-)Verantwortung aber auch viele Freiheiten. Jeder Tag bringt neue Aufgaben und Herausforderungen – all das führt dazu, dass ich jeden Tag gerne zur Arbeit gehe. Mit Corona ist das nur derzeit leider nicht immer möglich.
Ok, was ist denn dann dein berufliches Ziel nach der Promotion?
Nach der Promotion möchte ich mich gern auch inhaltlich wieder neuen Herausforderungen stellen können. Mein Studium war sehr vielseitig – ich würde gern die Branche oder den Schwerpunkt noch einmal wechseln, vielleicht zurück zur Textil- oder Medizintechnik. Mir gefällt das interdisziplinäre Arbeiten, wie beispielsweise das zwischen Medizinern, Biologen und Ingenieuren. Ich finde es faszinierend, wie der berufliche Hintergrund und Erfahrungen die Herangehensweise der KollegInnen an Problemstellungen prägt. Solche Diskussionen sind immer besonders spannend und man lernt jedes Mal etwas. Auch wenn meine Ausbildung das suggeriert, muss ich jetzt nicht unbedingt sofort in eine Führungsposition einsteigen. Ich lege mehr Wert auf einen abwechslungsreichen Aufgabenbereich.
Ich bin auf jeden Fall ein großes Stück selbstbewusster und souveräner geworden
Als Ingenieurin aus Aachen, mit dann hoffentlich abgeschlossener Promotion und als Expertin im Bereich der Laserbearbeitung gehörst du ja zu den Toptalenten für die Industrie. Was sind denn deine Motivationsfaktoren für die Arbeit. Womit kann dich ein Arbeitgeber überzeugen?
Wahrscheinlich habe ich das gerade schon durchklingen lassen. Das, was mir an meinem derzeitigen Job als wissenschaftliche Mitarbeiterin besonders gefällt, ist, dass ich kein abgestecktes Aufgabenfeld habe. Ich mache alles: Von der Kunden-/Projektakquisition über die Antragstellung bis hin zur Projektbearbeitung/-leitung und Ergebniskontrolle. Wenn ich morgens zur Arbeit gehe, kann ich in der Regel nicht vorhersehen, welche Wendung der Tag noch nehmen könnte. Dieses breite Spektrum an Aufgaben, immer neue Herausforderungen und auch ein hohes Maß an Verantwortung gefallen mir ausgesprochen gut. So habe ich die Möglichkeit, Ideen einzubringen und auch mich selbst in neuen Situationen auszuprobieren. Vielseitige Aufgaben, ein kollegiales, vertrauensvolles und begeisterungsfähiges Arbeitsklima sowie die Möglichkeit zur flexiblen Zeiteinteilung sind auf jeden Fall große Pluspunkte. Wenn der Arbeitsplatz dann noch in der Nähe zum Meer liegt, bin ich eigentlich schon überredet. In Aachen kommt das Wasser leider immer nur von oben und salzig ist es dazu auch nicht.
Gerade habe ich wieder eine Liste mit den beliebtesten Unternehmen gesehen. Leider waren da wieder kaum Mittelständler vertreten. Wie interessant ist für dich eine Karriere im Mittelstand?
Für mich ist das sehr interessant! Weniger Mitarbeiter führen zwangsläufig dazu, dass die Aufgaben des Einzelnen breiter gestreut und somit abwechslungsreicher sind – das deckt sich absolut mit meinen Schwerpunkten. Außerdem sind die internen Wege kürzer und viele Prozesse sind weniger bürokratisch. Das führt zu mehr Agilität und Handlungsspielraum. Also das wäre auf jeden Fall eine Perspektive für mich.
Als Laserexpertin, welche nächsten Entwicklungen werden denn aus der Wissenschaft in die breite industrielle Praxis kommen? Womit sollten sich Unternehmen jetzt beschäftigen?
Tatsächlich ist die Lasertechnik auch sehr vielfältig. Ich habe über 500 KollegInnen, die sich mit Themen von der Strahlquellenentwicklung bis hin zur Anwendung beschäftigen. Ich muss ehrlich gestehen, dass ich nicht in jeden Bereich einen tiefen Einblick habe, auch wenn viele Forschungsfelder wirklich unglaublich spannend sind. Für meinen persönlichen Schwerpunkt – das Laserstrahlschweißen – kann ich sagen, dass wir uns derzeit sehr intensiv mit den Aufgaben zur Dünnschichtkontaktierung, Prozesskontrolle und dem Einsatz von sichtbaren Strahlquellen (also „blau“ und „grün“) beschäftigen. Derzeit sind diese Laser noch recht neu und damit teuer, aber das Angebot wächst und auch hinsichtlich der Strahlablenkung und -formung gibt es immer mehr Möglichkeiten. Hier lohnt es sich auf jeden Fall, die Entwicklung weiter zu verfolgen, da sich hier auch ganz neue Einsatzmöglichkeiten und Lösungen ergeben können.
Für mich als Quasi-Zerspaner ist die Laserbearbeitung ja immer ein wenig speziell. Sie ist teuer, dauert lange und ist kompliziert. Ich habe immer das Gefühl, es geht um ganz spezielle Prozesse und nicht die große Massentauglichkeit. Stimmt das? Ich übertreibe natürlich etwas bewusst.
Natürlich ist “Laser” nicht die Antwort auf jede Frage, auch wenn mir das natürlich ausgesprochen recht wäre. Vorbehalten wie denen, die du äußerst, begegne ich natürlich sehr häufig. Der Laser ist noch eine relativ neue Technologie und er entwickelt sich ständig weiter. Während der paar Jahre, die ich jetzt am Fraunhofer ILT tätig bin, haben wir allein bei uns im Mikroschweißen eine gigantische Entwicklung hingelegt. Das betrifft die maximal verfügbare Ausgangsleistung, Möglichkeiten zur Prozesskontrolle und -regelung und auch die Anlagenausstattung insgesamt. Allein der Anschaffungspreis der Strahlquellen, die wir hauptsächlich einsetzen, hat sich innerhalb von vier Jahren mehr als halbiert. Diese rasante Weiterentwicklung führt zu einem permanenten Wachstum bezüglich möglicher Einsatzgebiete und der Preisverfall, der weiter anhält, führt eben auch dazu, dass sich auch kleinere Firmen und sogar Start-Ups eine solche Anlagentechnik leisten können. Selbstverständlich gilt es, für jeden Prozess abzuwägen, ob der Laser tatsächlich das richtige Werkzeug für die Problemstellung darstellt. Aber das sehen wir auch ganz pragmatisch und wägen das gemeinsam mit unseren Kunden im Rahmen von Machbarkeitsstudien ab. Auch bei uns gilt: Probieren geht über Studieren. Manchmal werden auch wir von den Ergebnissen solcher Untersuchungen überrascht, sowohl positiv als auch negativ.
Wenn du so in die Zukunft blickst und dich an die Fragen zu deiner Karriere vom Anfang erinnerst, welche Werkzeuge, die du während der Institutszeit gelernt hast, werden dir später am meisten helfen?
Oh, das sind viele Dinge. Ich bin auf jeden Fall ein großes Stück selbstbewusster und souveräner geworden. Nach dem Studium wird man quasi in kaltes Wasser geschmissen und muss sich schnell zurechtfinden. Außerdem habe ich gelernt, mich schnell in neue Themenbereiche hineinzuarbeiten, zu koordinieren, zu organisieren, zu priorisieren und zu parallelisieren. Die Arbeitsbelastung an einem Institut ist nicht konstant, sondern schwankt teilweise stark – je nach Auftragslage und Projektstand. Da gehört gelegentlich schon ein hohes Maß an Organisationstalent und Stressresistenz dazu, damit alles fristgerecht fertig wird und das Alltagsgeschäft nicht untergeht. Etwas, das ich nicht gelernt habe, da es selbstverständlich sein sollte, aber was mir jeden Tag wieder bewusst wird, ist, dass es unschätzbar wichtig ist, einen offenen, freundlichen und respektvollen Umgang zu pflegen. Das betrifft jede Person, auf die man trifft – egal, ob sie gerade eine studentische Abschlussarbeit verfasst, als Kunde zu dir kommt oder als Dienstleister, ob sie die Kaffeetassen einsammelt oder zufällig einen Bereich mit 50 Mitarbeitenden leitet. Jeder erfüllt eine sehr wichtige Aufgabe innerhalb dieses Getriebes und keiner könnte seinen Job machen, wenn es die anderen nicht gäbe. Nur wenn alle zusammenarbeiten, können wir richtig tolle Dinge auf die Beine stellen! Das ist mit Sicherheit eine wichtige Erkenntnis, die ich aus dieser Zeit mitnehme.
Ok, das war ein schönes Schlusswort. Danke Johanna, es hat großen Spaß gemacht. Du bist ja recht aktiv im Netzwerk und es war schön dich jetzt auch mal persönlich etwas besser kennenzulernen. Ich wünsche dir für die Promotion und deine weitere Karriere auf alle Fälle alles Gute.
Danke Oliver, mir hat es auch großen Spaß gemacht! Ich freue mich schon auf das nächste – digitale – Treffen und dann hoffentlich auch bald persönlich!