Interview mit Dr. Mirko Theuer
Jung, voll von Fachwissen, motiviert und zielstrebig, das sind die Eigenschaften von wissenschaftlichen MitarbeiterInnen in der Produktionstechnik. Einige, wie zum Beispiel Mirko Teuer vom IFW in Hannover, werden dafür sogar ausgezeichnet. Mirko hat im vergangenen Jahr seine Promotion abgeschlossen und wurde gerade mit dem begehrten Fritz Studer Award 2020 ausgezeichnet. Im Interview mit mir erzählt er von der Auszeichnung, seiner damaligen Motivation zur Promotion und wir haben über die grundsätzlichen Eigenschaften von wissenschaftlichen MitarbeiterInnen und ihren Nutzen für die Industrie gesprochen.
Hallo Mirko, schön, dass du hier bist. Herzlich Willkommen.
Vielen Dank! Es freut mich sehr, dass Du auf mich aufmerksam geworden bist und wir uns heute unterhalten!
Zu Beginn muss ich dir ja direkt zu deiner Auszeichnung mit dem „Fritz Studer Award 2020“ gratulieren. Herzlichen Glückwunsch dazu! Erzähl doch bitte zu Beginn einmal ganz kurz, was das für eine Auszeichnung ist?
Ja, vielen Dank! Der Fritz Studer Award ist ein internationaler Preis für junge ForscherInnen, die für ihre innovativen Konzepte und Ideen im Bereich der Fertigungstechnologien ausgezeichnet werden. Der Preis wird von der Fritz Studer AG, einem international etablierten Maschinenhersteller, alle drei Jahre verliehen.
Das heißt der Preis hat schon einen gewissen Stellenwert in der Branche, oder? Wie empfindest du die Auszeichnung persönlich?
Die Auszeichnung ist für mich wirklich eine sehr große Ehre. Zum einen, weil ich mit meiner Dissertation natürlich immer einen signifikanten Beitrag zu den Fortschritten im Bereich der Fertigungstechnologien leisten wollte. Zum anderen, weil die Resonanz aus der Industrie enorm ist. Durch den Award sind mehrere branchenrelevante Zeitschriften auf mich aufmerksam geworden und haben Kurzartikel zu dem Award und meinem Promotionsthema veröffentlicht. Auch mein Profil auf Linkedin wird seit der Preisverleihung viel häufiger besucht und bietet mir die Möglichkeit mich mit zahlreichen neuen Personen zu vernetzen. Das alles zeigt natürlich, dass ich mit meinem Thema viele Experten erreicht habe und etwas bewegen konnte.
Ja das glaube ich. Das hilft bestimmt beim Personal Branding. Du wurdest ja für deine Dissertation ausgezeichnet. Worum ging es da und warum hat Fritz Studer dich hierfür ausgezeichnet?
Ich habe im Rahmen meiner Dissertation ein neues Fertigungsverfahren für die Herstellung von Zerspanwerkzeugen wie Bohrer oder Fräser entwickelt. Dabei werden die einzelnen Umfangsschneiden der Werkzeuge zeitgleich hergestellt und nicht wie zuvor mit mehreren Schleifwerkzeugen und Schleifoperationen nacheinander gefertigt. Dadurch kann man natürlich sehr viele Nebenzeiten in Form von Verfahrwegen der Maschine oder Wechselzeiten für die Schleifscheiben einsparen. Ich denke, dass ich unter anderem wegen diesem hohen Innovationsgrad und dem Potential, das in dem Verfahren steckt, ausgezeichnet wurde.
Kontinuierliches Wälzschleifen von Zerspanwerkzeugen
Industrielle Fertigungsprozesse zur Herstellung von rotationssymmetrischen Zerspanwerkzeugen sind stetig steigenden Anforderungen an die Qualität der erzeugten Werkstücke ausgesetzt. Gleichzeitig wächst die weltweite Nachfrage nach Zerspanwerkzeugen kontinuierlich an, sodass deren Fertigung produktiver und effizienter gestaltet werden muss. Aufgrund dieses Zielkonflikts aus Prozessproduktivität und Werkstückqualität stoßen konventionelle Schleifprozesse zur Herstellung von Zerspanwerkzeugen zunehmend an ihre Grenzen. Daher wird in dieser Arbeit ein neuartiger Wälzschleifprozess hergeleitet, der die Fertigung der Nuten und Umfangsschneiden von rotationssymmetrischen Zerspanwerkzeugen in einer einzelnen Bearbeitungsoperation erlaubt. Der Vorteil liegt hierbei in der kontinuierlichen Simultanbearbeitung sämtlicher umfangsseitigen Elemente des Zerspanwerkzeugs. Somit wird die üblicherweise aus mehreren Schleifoperationen bestehende Prozesskette vollständig durch den neu entwickelten Wälzschleifprozess substituiert. In der Folge sinken die notwendigen Prozessnebenzeiten und es werden Shift-Strategien zur Erhöhung der Werkstückqualität ermöglicht. Das entwickelte Verfahren erlaubt zudem die Herstellung neuer Zerspanwerkzeuggeometrien, die durch konventionelle Werkzeugschleifprozesse nicht oder nur sehr aufwendig erzeugt werden können.
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Das ist ja jetzt schon etwas speziell. Glaubst du, das Verfahren könnte in einigen Jahren mal zu einem etablierten Verfahren werden oder siehst du hier noch einiges an Forschungsfragen, die vorab beantwortet werden müssten?
Das Verfahren bietet aus meiner Sicht enormes Potential in der Großserienfertigung von Zerspanwerkzeugen, denn es ist trotz des frühen Entwicklungsstadiums bereits auf einem ähnlichen Produktivitätsniveau wie das seit Jahrzehnten erforschte klassische Werkzeugschleifverfahren. Ganz erreicht haben wir den industriellen Standard dabei noch nicht, sodass hier natürlich weiterer Forschungsbedarf besteht. Ich konnte in meiner Arbeit aber bereits sehr viele technologische Verbesserungspotentiale aufzeigen, die aus der Zahnradbearbeitung bekannt sind und mit hoher Sicherheit zu einer weiteren, deutlichen Produktivitätssteigerung und Verbesserung der Zerspanwerkzeuggüte führen werden. Da die Erforschung dieser Themen zum Teil bereits läuft, ist ein weiterer Forschungsfortschritt diesbezüglich in den nächsten Jahren sehr wahrscheinlich. Damit steigen natürlich auch die Chancen einer industriellen Anwendung noch einmal deutlich an. Auf vergangenen Konferenzen und Messen haben auch schon verschiedenste Unternehmen ein großes Interesse an diesem neuen Schleifverfahren bekundet.
Mal einen Schritt zurück. Worauf basiert das Verfahren und wie bist du vorgegangen?
Im Prinzip habe ich das sogenannte kontinuierliche Wälzschleifen von Zahnrädern auf Zerspanwerkzeuge übertragen. Denn bei der Zahnradbearbeitung stand man früher vor denselben Problemen wie bei Zerspanwerkzeugen heute: Genau wie bei den Nuten eines Bohrers musste jede Zahnlücke des gehärteten Zahnrads einzeln geschliffen werden. Das wurde bei hohen Stückzahlen natürlich unproduktiv. Deshalb hat man das kontinuierliche Wälzschleifen entwickelt, das die Kinematik in einem Schneckengetriebe nachstellt. Diese besondere Kinematik erlaubt es unter Verwendung eines einzelnen Schleifwerkzeugs, das wie ein Gewinde geformt ist, sämtliche Zähne des Zahnrads simultan zu bearbeiten. Aufgrund dieser besonderen Kinematik konnte das Verfahren bisher jedoch ausschließlich für Zahnräder und nicht für andere Werkstücke eingesetzt werden. Ich habe dann die Schleifwerkzeuggeometrie, die Prozessführung und die Prozessparameter so beeinflusst, dass man nun auch in der Lage ist Schneidzähne mit hinterschnittenen Spanflächen und mehreren Freiflächen, so wie es bei Zerspanwerkzeugen üblich ist, herzustellen. Die aus der Zahnradbearbeitung bekannten Vorteile des Wälzschleifens, wie z.B. eine erhöhte Rundlaufgenauigkeit und Produktivität, kann man dabei direkt auf den neuen Anwendungsfall übertragen.
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Krebs und Riedel Schleifscheibenfabrik GmbH Co.KG
Krebs & Riedel gehört zu den weltweit führenden Herstellern von hochpräzisen und modernen Schleifwerkzeugen. Vor allem Kunden aus den Bereichen Automotive, Luft- und Raumfahrt, Maschinenbau, Medizintechnik und Windkraft vertrauen auf die hochpräzisen Produkte. Das mittelständische Familienunternehmen hat Tochterunternehmen in China und Indien, sowie ein weltweites Vertriebsnetzwerk in mehr als 30 Ländern. Krebs & Riedel ist führend im Bereich des kontinuierlichen Wälzschleifens.
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Ja total spannend. Jetzt bist du ja schon ein recht erfahrener wissenschaftlicher Mitarbeiter, der bereits seine Dissertation abgeschlossen hat. Warum hast du denn aber eigentlich eine Promotion begonnen? Was war deine Motivation?
Ich fand damals die Kombination aus technologischer Fachkunde und managementorientiertem Arbeiten sehr spannend. Mein Institut hat mir genau diese Möglichkeiten geboten. Ich konnte in meinem ersten Forschungsvorhaben direkt mit mehreren Unternehmen zusammenarbeiten, mich im Projektmanagement üben, technologisch tief in eine Thematik einarbeiten und zeitgleich ein kleines Team von Studenten anleiten. Diese ersten Erfahrungen in der Mitarbeiterführung konnte ich dann auch als Abteilungsleiter am Institut weiter ausbauen. Ich durfte beispielsweise bereits nach einem Jahr meinen ersten Vortrag auf einer großen Bühne vor mehr als 100 Zuhörern halten. Man kann somit bereits früher als in den allermeisten Unternehmen Verantwortung übernehmen und entwickelt sich durch die hohe Aufgabenvielfalt kontinuierlich weiter. Insofern habe ich diese Arbeitsweise in Verbindung mit der Promotion als nächsten vielversprechenden Ausbildungsschritt betrachtet, bei dem man viel lernen kann. Der Titel zum Abschluss der Promotion war dann natürlich eine besondere Motivation zur Fertigstellung der Dissertation.
Als Abteilungsleiter bist du auch für Neueinstellungen am Institut mitverantwortlich. Siehst du eine ähnliche Motivation bei anderen BewerberInnen?
Die Motivation der Bewerber ist tatsächlich sehr vielfältig. Das reicht von einer sehr stark fachlichen Ausrichtung bis hin zu rein managementorientierten Bewerbern, die den Titel als Dr.-Ing. für ihre weitere Karriere nutzen wollen. Eine pauschale Aussage würde ich mir daher nicht zutrauen.
Doktoranden zeigen durch die Fertigstellung ihrer Dissertation auch Selbstständigkeit, Durchhaltevermögen und Willensstärke.
Wenn du jetzt mal aus Sicht eines Unternehmens die Eigenschaften von WiMi´s beschreiben müsstest, wie sehe das aus?
Ich glaube, dass gut ausgebildete WiMi’s sehr vielfältig eingesetzt werden können. Man lernt während der Zeit am Institut das schnelle Einarbeiten auch in komplett fachfremde Themen. Gleichzeitig ist man Fachexperte, Projektleiter, Organisator und nicht zuletzt auch Marketingmitarbeiter zugleich. Die Vielfältigkeit dieser Aufgaben spiegelt sich dann natürlich in dem Wissen und der Arbeitsweise sowie dem möglichen Aufgabenbereich des Mitarbeiters wider. Außerdem baut man sich während der Zeit am Institut ein weitreichendes Netzwerk in der gesamten Branche auf. Das reicht von den technologischen Mitarbeitern an den Werkzeugmaschinen über die Mitarbeiter in der Forschung und Entwicklung bis hin zu den Geschäftsführern. Diese Vielfalt an Kontakten hilft natürlich auch bei der persönlichen und fachlichen Weiterentwicklung eines Mitarbeiters. Außerdem zeigen Doktoranden durch die Fertigstellung ihrer Dissertation auch Selbstständigkeit, Durchhaltevermögen und Willensstärke. Auch das sind natürlich positive Eigenschaften, die von potentiellen Arbeitgebern sehr geschätzt werden.
Wie ist für dich jetzt die weitere Planung? Möchtest du eher in der Wissenschaft bleiben oder bist du mittlerweile auf der Suche nach einer Stelle in der Industrie?
Für mich war immer klar, dass ich mein Wissen direkt nach der Promotion in der Industrie einsetzen und mich dort weiterentwickeln möchte. Leider hat mir die Coronapandemie dabei einen Strich durch die Rechnung gemacht, denn im Anschluss an meine Promotionsprüfung und den damit einhergehenden Urlaub hat der erste Lockdown begonnen und der Arbeitsmarkt ist eingebrochen. Mittlerweile entspannt sich die Lage am Arbeitsmarkt aber wieder und ich habe bereits ein sehr spannendes Jobangebot angenommen, sodass ich in den nächsten Wochen in die Industrie gehen werde. Wo es hingehen wird, verrate ich jetzt aber noch nicht…
Ja, sehr cool. Ich hoffe ja, es ist jemand aus dem Mittelstand. Aber dafür auf jeden Fall alles Gute. Welche Anforderungen stellst du denn an deine nächste Arbeitsstelle? Was musste das Unternehmen dir bieten, dass du als junges Talent dort anfangen würdest?
Meine neue Stelle sollte die bereits besprochenen Eigenschaften eines WiMi’s auch nutzen. Ich suche also einen Job, der mich auf vielfältige Weise fordert und es mir ermöglicht, Verantwortung zu übernehmen und mich weiterzuentwickeln. Außerdem wünsche ich mir nette Arbeitskollegen und ein positives Arbeitsumfeld. Die Zusammenarbeit mit meinen Kollegen und das gemeinsame Erreichen von Zielen motiviert mich nämlich besonders!
Super Mirko, vielen Dank für das Gespräch. Ich glaube, du bist ein gutes Beispiel dafür, was für herausragende Talente an den Instituten tätig sind. Und wenn ich mit Produktionstalente einen Beitrag dazu leisten kann, dass Menschen wie du, später etwas sinnvolles für sich und die Gesellschaft tun können, wär ich sehr froh und dankbar darüber. Also nochmal herzlichen Glückwunsch zu deiner Auszeichnung und alles Gute für deine Zukunft.
Vielen Dank für das nette Gespräch! Ich wünsche dir auch alles Gute!